Heute, als ich das Ladenlokal verließ, hörte ich, wie ein Vater seinen Sohn fragte: «Willst du die da? Eine Cervelat?» Er zeigte auf den Grill und wiederholte «eine Servila?» Ich ging vorüber und musste schmunzeln. Beinahe hatte es sich angehört, als müsste der Vater «Cervelat» für seinen Sohn übersetzen.
Woher kommt eigentlich dieses verfälschte Wort «Servila?» Wo und wie solche Wörter wohl entstehen? Hat das mit den Schweizer Dialekten zu tun? Oder doch nur ein hängengebliebener Kindheitsausdruck? Alle unsere Kinder reden zum Beispiel im Schweizerdeutschen von «Schuen» statt von «Schue». Dass das mit dem Bündner Dialekt zusammenhängt, haben wir herausgefunden, kurz bevor uns die «Schällen-Ursli» CD zum Hals rausgehangen ist.
Unser Jüngster betonte das Wort fertig so: «fäärtig». Wir haben ihn darin lange nicht korrigiert. Erst musste er R, S und SCH lernen, bevor wir Nebensächlichkeiten wie «Ich möchte mit ohni… » korrigierten. Ob es diese vermeintlichen Unwichtigkeiten sind, die hängenbleiben und von Generation zu Generation weitergegeben werden?

Ich war ja auch seit meiner Kindheit der festen Überzeugung, dass es «Räderli» heisst. Ich rede von dem «Räderli» Salami. Oder Gurke. Die Autos, ja, die haben Räder. Aber die essbaren Rondellen, die heißen «Räderli». Weil sie sich eben zu den fahrbaren Rädern in allem außer der Form unterscheiden. Wortschatz sagt man dazu. Mein Mann hat mich dann liebevoll korrigiert und mir schonend beigebracht, dass niemand – abgesehen von meiner Familie – dieses Wort kennt. Oder ist es das unbekannte Aargauer-Deutsch oder doch nur der Suhrentaler-Dialekt, oder gar der Slang der Muhener Talstrasse?
Mein Vater war es, der diesen Ausdruck häufig benutzt hat, und es heute noch tut, ist er doch ein (un)heimlicher Salami-Liebhaber. Da hat er sich öbedie ein zusätzliches «Räderli» gegönnt.
Ich habe mich angepasst und «Räderli» aus meinem Vokabular verdrängt. Wenn ich so darüber nachdenke, dann finde ich das eigentlich schade. Solche Ausdrücke haben doch etwas Charmantes an sich. Riechen nach Familientradition, nach Heimat, nach Zugehörigkeit. Ich glaube, ich nehme das «Räderli» wieder in meinen Wortschatz auf. Ich werde es meinen Kindern beibringen und meinen zukünftigen Grosskindern und die geben es dann ihren Nachkommen wieder weiter. Und in ein paar Jahrzenten hat sich das «Räderli» dann etabliert und man fragt sich, woher das wohl stammt. Oder nehme ich mich jetzt etwas zu wichtig? Möglicherweise.