Wasserkraft im Bergbach

In einem Taschenmesserbuch entdeckt und gleich auf die Bucket List geschafft: Ein aus Naturmaterialien gebautes Wasserrad, welches das aufgespiesste Poulet über dem offenen Feuer grillt. 

Als Werkzeug reicht das gute Schweizer Taschenmesser aus. Ich bin begeistert! Es scheint machbar. Doch ich habe in der Vergangenheit meine Erfahrungen mit solch Bastelanleitungen gemacht.

Noch nie hat es sich in der Herstellung so verhalten, wie in der Beschreibung dargestellt. Und vor allem glich das Ergebnis nicht einmal annähernd den großartigen Bildern im Tutorial. Wenn überhaupt etwas dabei rausgekommen ist. Oft habe ich das Projekt frühzeitig begraben.

Aber diesmal ist alles anders. In den Ferien auf einer abgelegenen Alp mit einem klassischen Bergbach in der Nähe, scheint der Moment meines Lebens gekommen zu sein. Und die Idee ist geboren. Ich bin ungeheuer hartnäckig, wenn sich eine Idee erst mal festgesetzt hat. Wie gesagt, abgelegen wohnen wir – mein Mann, unsere drei Jungs und ich – und das Projekt ist nicht geplant. Woher nehmen wir also nun ein Poulet her? Der Gedanke, dass es auch eine Cervelat tun würde, wird – vor allem von mir – vehement abgelehnt. Wenn schon, denn schon, lautet meine ständige Devise. 

Also nutzen wir die Trottiabfahrt, um uns in der Zivilisation ein Güggeli zu besorgen. Und Rosmarin, versteht sich. Schnell lässt sich einen geeigneten Platz am Bach finden. Die Steine werden etwas zurechtgerückt. Naja, der eine, der fehl am Platz ist, wiegt wohl über 100 Kilogramm. Aber auch hier: Alles eine Frage der Technik. Dann heben wir die Feuerstelle etwas aus und legen sie kreisförmig an. Das ist fürs Foto sehr wichtig. Zeitgleich wird Holz gesammelt, zurecht gesägt und gespalten. Nein nicht mit der Axt, sondern ebenfalls mit einer Sackmesser-Technik. 

An dieser Stelle darf Felix Immler und seine Taschenbücher erwähnt werden. Einfach unglaublich, was man mit dem Sackmesser alles schaffen kann.

Aber ich muss ehrlich sein. Der grösste Teil der Arbeit mit dem Schweizer Alleskönner leistet mein Mann. 

Aber ich bin gut im Anschleppen von passenden Holzstücken. Das ist genauso wichtig, jawohl.

An die Bush Crafter unter uns: Nein, es ist nicht nur totes Holz, das wir verwenden. Schuldig im Sinne der Anklage. Sägen habe ich auch voll drauf – wäre ich nur nicht mit dem Trotti gestürzt und kann meine rechte Hand kaum benutzen. Aber ich hätte es gekonnt, Ehrenwort. 

Die Bauarbeiten ziehen sich hin und am Himmel die Wolken auf. Natürlich wissen wir um das Regenrisiko, schliesslich war die Wettervorhersage nicht optimistisch. Aber was wäre die Alternative? Das Poulet im Ofen backen? Kaum vorstellbar. Das wäre der Notfall – wenn es Katzen hageln, donnern, blitzen und stürmen würde. Vorausschauend haben die Jungs in der Nähe einen Tarp aufgespannt, damit wir im Fall der Fälle einen Unterschlupf hätten. 

Während sich das Wasserrand seiner Vollendung nähert, wird gefeuert, das Güggeli mariniert, mit Rosmarin gestopft und aufgespiesst. Berührungsängste sind hier fehl am Platz. 

Und dann der grosse Moment! Das Wasserrad wird ins Wasser gelassen. Natürlich muss noch etwas justiert und der Bach noch etwas tiefer gemacht werden aber dann: Es drehte sich mühelos und regelmässig und das Poulet dreht mit!

Das Wasser plätschtert gemächlich dahin und das Rad überträgt die Kraft. Ich kann mich kaum sattsehen. Einem Wunder gleich bruzzelt das Hähnchen vor sich hin. Das ist pures Glück: Dasitzen und Staunen. Und fotografieren, seien wir ehrlich.

Natürlich lugen wir immer wieder zum Himmel. Dass wir im Trockenen so weit gekommen sind, ist bereits ein Geschenk des Himmels. Als es immer dunkler wird und die ersten Regentropfen fallen, legen wir noch einmal Holz nach und packen unsere Sachen und uns selbst unter den Tarp und überlassen das Poulet seinem Schicksal. Im Fünf Minuten Takt schauen wir nach, als würden wir uns um ein schlafendes Baby kümmern. Dieser Vergleich ist zwar etwas unpassend, scheint mir.

Als aus tröpfelen sträzen wird, packt mein Mann beherzt zu. Mit dem Wasserrad samt dem Poulet am Spiess eilt er über die Alp, um sich und das Güggeli in den Schärmen zu bringen. 

Es ist die reinste Komödie! Wie wir uns amüsieren! Soeben haben wir die Wasserkraft bewundert und nun fliehen wir vor dem Wasser, das von oben kommt. 

Nun kauern wir unter der schützenden Blache, schauen dem Regen zu und geniessen das Poulet in vollen Zügen. Wunderbar köstlich. An den meisten Stellen ist es durchgegart. Zu sagen, ich hätte noch nie ein besseres Poulet gegessen, wäre abgedroschen. Aber ich ass noch nie unter diesen Umständen und mit solch grossem Glück ein Poulet im Regen. 

Und mir wird erneut bewusst: Wasser hat viele Eigenschaften. Es kann kraftvoll, ja zerstörerisch sein. überlebenswichtig und lebensbedrohlich. Herbeigesehnt und weggewünscht. Spiegelnd klar und farbig schimmernd. Reinigend und verunreinigt. Ich will dankbar sein, für jeden Tropfen Wasser, den die Natur gnädig gibt und den wir zum Guten verwenden dürfen. 

Eine Antwort

  1. Die Geschichte schliesst mit dem Satz: Ich will dankbar sein, für jeden Tropfen Wasser, den die Natur gnädig gibt und den wir zum Guten verwenden dürfen. Ich denke, bei nächster Gelegenheit würde ich an dieser Stelle das schreiben, was ich wirklich meine und glaube: Der Geber alles Guten ist unser Schöpfer-Gott.

    Was denkt ihr darüber? Sollte man umschreiben, was man meint oder glaubt, oder doch die Dinge beim Namen nennen?

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